Die Verbreitung und Rezeption des Manifests der kommunistischen Partei in Italien (1889-1945)

I. VORWORT
Aufgrund theoretischer Konflikte wie politischer Ereignisse war das Interesse an Marxens Werk nie konstant und hat seit seinen frühen Äußerungen unbestreitbare Einbrüche erlebt. Von der „Krise des Marxismus“ bis zur Auflösung der „Zweiten Internationale“, von den Diskussionen über die Grenzen der Mehrwerttheorie bis zu den Tragödien des sowjetischen Kommunismus schien der marxsche Begriffshorizont durch die Kritik seiner Ideen jedes Mal endgültig überwunden. Und doch gab es stets eine „Rückkehr zu Marx“. Immer wieder entstand ein neues Bedürfnis, auf sein Werk Bezug zu nehmen, das mit der Kritik der politischen Ökonomie, den Formulierungen zur Entfremdung und den brillanten Seiten der politischen Streitschriften weiterhin eine unwiderstehliche Faszination auf Anhänger und Gegner ausübte.

Obwohl Ende des letzten Jahrhunderts einstimmig sein Untergang verfügt wurde, hat Marx seit einigen Jahren völlig unerwartet erneut die geschichtliche Bühne betreten. Tatsächlich ist derzeit ein wahrer Aufschwung des Interesses im Gang und immer häufiger werden seine Schriften wieder aus den Regalen der Bibliotheken Europas, der Vereinigten Staaten und Japans hervorgeholt.

Die Wiederentdeckung von Marx erklärt sich aus seiner anhaltenden Fähigkeit zur Erklärung der Gegenwart, für deren Verständnis und Transformation er ein unverzichtbares Werkzeug bleibt. Angesichts der Krise der kapitalistischen Gesellschaft und der tiefen Wiedersprüche, die sie durchziehen, befragt man diesen nach 1989 allzu eilig beiseite geschobenen Autor erneut. So wird Jacques Derridas Behauptung – „es wird immer ein Fehler sein, Marx nicht zu lesen, wiederzulesen und zu diskutieren“ –, die noch vor wenigen Jahren wie eine vereinzelte Provokation klang, heute immer mehr geteilt.

Seit Ende der Neunzigerjahre wird in Zeitungen und Zeitschriften, Fernseh- und Radiosendungen ständig über den aktuellsten Denker für unsere Zeit diskutiert: über Karl Marx. Der erste Artikel, der in diesem Sinn ein gewisses Echo hervorrief, war The return of Karl Marx, erschienen in der amerikanischen Zeitschrift „The New Yorker“. Dann war die BBC an der Reihe, die Marx 1999 den Titel des größten Denkers des Jahrtausends verlieh. Einige Jahre darauf widmete die Zweimonatsschrift „Nouvel Observateur“ dem Thema Karl Marx – le penseur du troisième millénaire? eine ganze Nummer und wenig später zollte auch Deutschland demjenigen, den es zu einem vierzig Jahre langen Exil gezwungen hatte, Tribut. Über 500.000 Fernsehzuschauer des öffentlich-rechtlichen Senders ZDF wählten Marx im Jahr 2004 zur drittwichtigsten deutschen Persönlichkeit aller Zeiten (zur wichtigsten überhaupt in der Kategorie „Aktualität“), und während der letzten Bundestagswahlen bildete die bekannte Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ ihn auf der Titelseite, unter der Überschrift Ein Gespenst kehrt zurück, mit zum Siegeszeichen erhobenen Fingern ab.

Zur Abrundung dieses kuriosen Überblicks sei die 2005 von dem Radiosender BBC 4 durchgeführte Umfrage erwähnt, bei der Marx zum beliebtesten Philosophen der englischen Hörer gekrönt wurde.
Auch die Literatur über Marx, die vor fünfzehn Jahren fast völlig aussetzte, zeigt deutliche Zeichen der Erholung und neben der Blüte neuer bedeutender Studien kommen in verschiedenen Sprachen Bändchen mit dem Titel Why read Marx today? heraus. Ähnlichen Anklang finden die internationalen Zeitschriften, die für Beiträge zu Marx und den Marxismen offen sind, wie auch Tagungen, Universitätsvorlesungen und Seminare zum Thema wieder in Mode gekommen sind. Schließlich ertönt auch von politischer Seite, wenngleich verhalten und in eher verworrener Form, von Lateinamerika bis zur Bewegung für eine andere Welt ein neuer Ruf nach Marx.

Der Text, der wiederum mehr als jeder andere die Aufmerksamkeit von Lesern und Wissenschaftlern auf sich gezogen hat, ist das Manifest der kommunistischen Partei. So wurde das Manifest von Marx und Engels 1998, anlässlich des hundertfünfzigsten Jahrestags seines Erscheinens, in dutzenden neuer Ausgaben in allen Teilen der Welt gedruckt und nicht nur als großartigste Voraussicht der Entwicklung des weltweiten Kapitalismus gefeiert, sondern auch als meistgelesener politischer Text in der Geschichte der Menschheit. Aus diesem Grund mag es von Interesse sein, die Geschichte seiner ersten Verbreitung in unserem Land nachzuzeichnen.

II. KARL MARX: DIE ITALIENISCHE VERKENNUNG
In Italien erfreuten sich die Marxschen Theorien außerordentlicher Popularität. Sie inspirierten politische Parteien, Gewerkschaftsorganisationen und soziale Bewegungen und trugen wie keine andere zur Verwandlung des nationalen politischen Lebens bei. Durch ihre Verbreitung in jedem Bereich der Wissenschaft und Kultur veränderten sie in nicht umkehrbarer Weise deren Richtung und selbst den Wortschatz. Indem sie dazu beitrugen, dass sich die subalternen Klassen ihrer Lage bewusst wurden, avancierten sie zum theoretischen Hauptwerkzeug im Emanzipationsprozess von Millionen Männern und Frauen.

Der hier erreichte Verbreitungsgrad ist mit dem in wenigen anderen Ländern zu vergleichen. Man muss sich also fragen, was der Ursprung dieser Bekanntheit ist. Besser gesagt, wann sprach man das erste Mal von „Carlo Marx“? Wann erschien sein Name das erste Mal in den Zeitungen unter den ersten übersetzten Schriften? Wann verbreitete sich sein Ruf in der kollektiven Vorstellung von Arbeitern und militanten Sozialisten? Und vor allem, wie und unter welchen Umständen begann sich sein Gedanke zu behaupten?

Die allerersten Übersetzungen der Schriften Marx`, der während den ersten revolutionären Unruhen von 1848 fast völlig unbekannt war, erschienen erst in der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre. Sie waren allerdings wenig zahlreich und bezogen sich nur auf die Inauguraladresse und die Statuten der „International Working Men’s Association“. Zu dieser Verspätung trug sicherlich die Isolierung Marx’ und Engels von Italien bei, die trotz der Faszination, die seine Geschichte und Kultur auf sie ausübten und der Anteilnahme, die sie für seine Realität zeigten, erst im Jahr 1860 mit Italien in Briefverkehr traten und allein ab 1870 tatsächliche politische Beziehungen mit diesem Land aufnahmen.

Ein erstes Interesse an der Figur Marx’ kam erst im Zuge der revolutionären Vorgänge um die Kommune von Paris auf. Die nationale Presse, wie auch eine Reihe von Arbeiterblättern, widmeten dem „Gründer und Führer der Internationale“ innerhalb von wenigen Wochen, biografische Skizzen und Veröffentlichungen von Auszügen aus Briefen und politischen Beschlüssen (darunter Der Bürgerkrieg in Frankreich).

Auch bei dieser Gelegenheit betrafen die abgedruckten Schriften – die einschließlich jener Engels allein in den Jahren 1871-1872 85 an der Zahl waren – ausschließlich Dokumente der «Internationale», zum Zeichen einer anfänglich rein politischen und erst später auch theoretischen Aufmerksamkeit. Weiters erschienen in einigen Zeitungen fantasievolle Beschreibungen, die dazu beitrugen, seinem Bild einen legendären Heiligenschein zu verleihen: «Karl Marx ist ein schlauer und bewiesenermaßen mutiger Mann. Schnelle Reisen von einem Land ins andere und ständige Verkleidungen erlauben ihm, seine Überwacher, die Polizeispitzel ganz Europas, ständig zu täuschen».

Das Ansehen, das seinem Namen anzuhaften begann, war gleichermaßen groß und ungefähr. Während dieser Zeit verbreiteten, nämlich, Propagandahandbücher die Marx’schen Auffassungen – wenigstens die als solche angesehen wurden – gleichzeitig mit jenen Darwins und Spencers. Sein Gedanke wurde als ein Synonym für Legaritarismus und Positivismus betrachtet. Seine Theorien wurden in einer sehr unwahrscheinlichen Kombination mit den genau entgegen gesetzten Auffassungen Fouriers, Mazzinis und Bastiats zusammengebracht. Seine Figur wurde – auf einem Missverständnis beruhend – mit jener von Garibaldi und Schäffle verglichen.

Das Interesse an Marx blieb nicht nur unbestimmt, sondern brachte auch keine Zustimmung für seine politischen Positionen. Unter den italienischen Anhängern der Internationale, die bei der Auseinandersetzung zwischen Marx und Bakunin fast einheitlich die Partei des letzteren ergriffen, blieb seine Abhandlung beinahe unbekannt und der Konflikt innerhalb der «Internationale» wurde mehr als persönlicher Zusammenstoß zwischen den beiden, anstatt als ein politischer Streit betrachtet.

Trotzdem fassten Marx´ theoretische Elemente während des folgenden Jahrzehnts, das von der Hegemonie des anarchischen Gedankenguts beherrscht wurde – welches in der italienischen Gesellschaft, die vom Nichtvorhandensein eines modernen industriellen Kapitalismus, von der folglich noch begrenzter Arbeiterwelt, sowie von der lebendigen Verschwörertradition, entliehen aus der jüngsten Revolution im Land, geprägt war, leichtes Spiel hatte – langsam in den Reihen der Arbeiterbewegung Fuß. Eine erste Verbreitung erfuhren diese Elemente paradoxerweise gerade durch die Anarchisten, die den Gedanken der der Emanzipation der Arbeiterklasse durch die Arbeiterklasse selbst und des Klassenkampfes, der in den Statuten und Inauguraladressen der «Internationale» enthalten war, vollständig teilten.

Sie veröffentlichten weiterhin Marx, oft in offener Polemik mit dem Sozialismus, der wortgewaltig revolutionär, in der Praxis hingegen legalitär und revisionistisch war. Die wichtigste Initiative war sicherlich die Veröffentlichung des Kompendiums des ersten Buchs von Das Kapital herausgegeben von Carlo Cafiero im Jahr 1879. Dies war die erste Gelegenheit, bei der sich, wenn auch in eher popularisierter Form, die wichtigsten Marx’schen Konzepte in Italien zu verbreiten begannen.

III. DIE ACHTZIGERJAHRE UND DER «MARXISMUS» OHNE MARX
Die Marxschen Schriften wurden auch in den Achtzigerjahren nicht übersetzt. Mit Ausnahme einiger weniger Artikel, die in der sozialistischen Presse erschienen, waren die einzigen übersetzten Werke die von Engels (Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft 1883 und Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates 1885), die auch nur – in sehr geringer Auflage – dank der eigensinnigen und gleichzeitig virtuosen Initiative des Sozialisten aus Benevento Pasquale Martignetti das Licht erblickten. Unerwarteterweise begannen sich wichtige Kreise des offiziellen Kulturwesens mit Marx zu beschäftigen, die ihm gegenüber weniger Vorbehalte zeigten, als jene, die in deutschen Kreisen bekundet wurden.

Und so veröffentlichte, auf Betreiben der höchsten akademischen und verlegerischen Ebenen, die bedeutende «Biblioteca dell’economista» (Bibliothek des Ökonomen), die gleiche, die auch schon Marx mehrmals bei seinen Nachforschungen am British Museum konsultiert hatte, zwischen 1882 und 1884 in einzelnen Heften und 1886 in einem einzigen Band, das erste Buch von Das Kapital. Die geringe Bedeutung der italienischen Bewegung wird durch die Tatsache belegt, dass Marx, von der Veröffentlichung der einzigen Übersetzung seines Werks in Italien bis nach dem Zweiten Weltkrieg ganz zufällig und nur zwei Monate vor seinem Tod erfuhr. Engels hingegen erst 1893!

Wenn auch in einer Realität voller Beschränkungen wie jene, die zu schildern hier kurz versucht wurde, kann man doch die erste Verbreitung des Marxismus in diese Zeit datieren. Allerdings geschah diese Verbreitung auf Grund der äußerst geringen Anzahl an Übersetzungen der Marx´schen Schriften und deren so schwierigen Auffindbarkeit fast nie durch Originalquellen , sondern durch indirekte Anführungen, Zitate aus zweiter Hand, Kurzfassungen durch die vielen Epigonen oder angeblichen Fortsetzer, die in kurzer Zeit auftauchten.

Während dieser Jahre entwickelte sich ein wahrer Kulturosmoseprozess, der nicht nur die verschiedenen sozialistischen Auffassungen in Italien, sondern auch andere Ideologien betraf, die mit dem Sozialismus nichts zu tun hatten. Gelehrte, politische Agitatoren und Journalisten bildeten sich ihre Ideen durch Hybridisierung des Sozialismus mit allen anderen ihnen zur Verfügung stehenden theoretischen Mitteln . Und wenn sich der «Marxismus» so rasch gegenüber allen anderen Doktrinen durchsetzen konnte, so geschah das, weil es keinen autochthonen italienischen Sozialismus gab. Das Ergebnis dieser kulturellen Homogenisierung war ein verarmter und verfälschter «Marxismus». Ein «Marxismus» passe-partout. Vor allem ein Marxismus ohne die Kenntnis Marx’, da man die italienischen Sozialisten, die seine Originaltexte gelesen hatten, immer noch an den Fingern einer Hand abzählen konnte.

Wenn auch einfach und unrein, deterministisch und nur auf politische Nebensächlichkeiten ausgerichtet, so war dieser «Marxismus» doch imstande, der Arbeiterbewegung eine Identität zu geben, sich in der 1892 gegründeten «Partito dei Lavoratori Italiani» (Italienischen Arbeiterpartei) zu behaupten und sogar seine Hegemonie in der italienischen Kultur und Wissenschaft zu entfalten.

Vom Manifest der kommunistischen Partei, bis zum Ende der Achtzigerjahre gab es dann von ihm keine Spur. Trotzdem spielte er zusammen mit seinem Hauptinterpreten, Antonio Labriola, eine wichtige Rolle beim Bruch jenes verfälschten Marxismus, der, bis dahin, die italienische Realität gekennzeichnet hatte. Zuvor jedoch, ist es nötig, einen Schritt zurück zu machen.

IV. DIE ERSTEN VERÖFFENTLICHUNGEN DES MANIFESTS IN ITALIEN
Im Vorwort zur ersten Ausgabe des Manifests der kommunistischen Partei wurde die Veröffentlichung des Werks in «englischer, französischer, italienischer, flämischer und dänischer Sprache» angekündigt. In Wirklichkeit wurde dieses Vorhaben nicht durchgeführt oder besser gesagt, Das Manifest wurde eine der meist verbreiteten Schriften in der Geschichte der Menschheit, aber nicht nach den Plänen seiner Autoren.
Der erste Übersetzungsversuch des Manifests in Italienisch und Spanisch wurde in Paris von Hermann Ewerbeck unternommen, einem führenden Mitglied des kommunistischen Bundes in der französischen Hauptstadt. Jedoch, obgleich Marx nach Jahren in seinem Werk Herr Vogt, fälschlich von der Existenz einer italienischen Übersetzung sprach , wurde diese doch nie verfasst. Vom ursprünglichen Vorhaben entstand nur die englische Übersetzung im Jahr 1850 und zuvor, 1848 die schwedische. Danach geriet das Manifest infolge der Niederlage der Revolution der Jahre 1848-49, in Vergessenheit.

Die einzigen Nachdrucke, zwei in den Fünfzigerjahren und drei in den Sechzigerjahren, erschienen in deutscher Sprache. Für das Erscheinen neuer Übersetzungen musste man die nächsten beiden Jahrzehnte abwarten. 1869 ging die russische Übersetzung in Druck und 1871 die serbokroatische. Im gleichen Zeitraum erblickten, in New York, auch die erste in den USA veröffentlichte englische Version (1871) und die erste französische (1872) das Licht. 1872 kam in Madrid auch die erste spanische Übersetzung heraus, gefolgt, im Jahr darauf, von der portugiesischen, die anhand ersterer erfolgte.

Zu dieser Zeit war Das Manifest in Italien noch unbekannt. Die erste kurze Darstellung, bestehend aus Zusammenfassungen und Textauszügen erschien erst 1875 im Werk von Vito Cusumano, Le scuole economiche della Germania in rapporto alla questione sociale (Die Wirtschaftsschulen in Deutschland und ihr Verhältnis zur sozialen Frage). Dort war zu lesen, dass: „aus der Sicht des Proletariats dieses Werk an Wichtigkeit mit der Déclaration des droits des hommes (Erklärung der Menscherechte) für die Bourgeoisie vergleichbar ist.

Es ist eines der wichtigsten Ereignisse des 19. Jahrhunderts, eine jener Erscheinungen, die ein Jahrhundert kennzeichnen, ihm einen Namen und eine Richtung geben“. Danach waren die Bezugnahmen auf das Manifest wieder weniger häufig. Trotzdem wurde das Werk 1883 in den Artikeln zitiert, die die Nachricht vom Ableben Marx’ brachten. Das sozialistische Blatt «La Plebe» (Das Volk) sprach davon als eines der „grundlegenden Dokumente des zeitgenössischen Sozialismus (…) Symbol für die Mehrheit des westlichen sozialistischen Proletariats des Westens und Nordamerikas“. Die bürgerliche Zeitung «Gazzetta Piemontese» (Piemonteser Zeitung), hingegen präsentierte Marx als den Autor des „berühmten Manifesto dei Comunisti (Manifests der Kommunisten), das zur Fahne des militanten Sozialismus, zum Katechismus der entrechteten Klassen, zum Evangelium, nach dem die deutschen und ein Großteil der englischen Arbeiter widmen, auf das sie wählen, schwören und für das sie kämpfen, wurde“. Trotz dieser positiven Urteile musste der Druck immer noch warten.

1885, nachdem er eine Kopie des Manifests von Engels bekommen hatte, verfasste Martignetti dessen Übersetzung. Die Ausgabe wurde jedoch wegen Geldmangels niemals gedruckt. Die erste italienische Übersetzung erschien mit mehr als vierzig Jahren Verspätung, 1889. Bis einschließlich zu diesem Jahr waren bereits 21 Ausgaben auf Deutsch, 12 auf Russisch, 11 auf Französisch, 8 auf Englisch, 4 auf Spanisch, 3 auf Dänisch (die erste 1884), 2 auf Schwedisch, 1 jeweils auf Portugiesisch, Tschechisch (1882), Polnisch (1883), Norwegisch (1886) und Yiddisch (1889) erschienen. Der italienische Text ging in der demokratischen Zeitung von Cremona «L’Eco del popolo» (Das Volksecho) unter dem Titel Manifesto dei socialisti redatto da Marx e Engels (Manifest der Sozialisten erstellt von Marx und Engels), in zehn Folgen zwischen August und November in Druck.

Diese Version zeichnete sich aber durch eine überaus schlechte Qualität aus, es fehlten das Vorwort von Marx und Engels, der dritte Abschnitt («Sozialistische und kommunistische Literatur») und verschiedene andere Teile, die entweder ausgelassen oder zusammengefasst waren. Weiters waren in der Übersetzung aus dem Deutschen aus dem Jahr 1883 von Leonida Bissolati, verglichen mit der französischen aus dem Jahr 1885 von Laura Lafargue, die komplizierteren Ausdrücke stark vereinfacht. Mehr als eine Übersetzung, handelte es sich dabei also um eine Popolarisierung der Schrift, mit einigen wörtlich übersetzten Passagen.
Die zweite italienische Ausgabe, die erste allerdings in Heftform, kam 1891 heraus. Die, anhand der französischen Ausgabe der Pariser Zeitung «Le Socialiste» von 1885 durchgeführte Übersetzung, sowie die Einleitung waren Werk des Anarchisten Pietro Gori.

Bei diesem Text fehlte die Präambel, außerdem waren diverse Fehler darin zu finden. Der Verleger Flaminio Fantuzzi, der ebenfalls mit den anarchistischen Positionen sympathisierte, verständigte Engels erst nach vollendeter Tat und dieser drückte seine besondere Verärgerung über die „Vorrede von unbekannten Leuten à la Gori“ in einem Brief an Martignetti aus.

Die dritte italienische Übersetzung erschien 1892 als Feuilleton in der mailänder Zeitschrift «Lotta di classe» (Klassenkampf). Diese Version, die Anspruch erhob, „die erste und einzige italienische Übersetzung des Manifests zu sein, die kein Verrat war“ , wurde von Pompeo Bettini anhand der deutschen Ausgabe von 1883 durchgeführt. Auch wenn diese ebenfalls Fehler und Vereinfachungen einiger Passagen aufwies, setzte sie sich doch gegenüber den anderen durch und erfuhr bis 1926 zahlreiche Neuauflagen. Sie war ausschlaggebend für die Bildung der marxistischen Terminologie in Italien. Im folgenden Jahr erschien diese Übersetzung mit einigen Korrekturen und Stilverbesserungen und dem Hinweis, dass „die Gesamtversion anhand der 5. deutschen Auflage (Berlin 1891) entstanden war“ , in Heften in einer Auflage von tausend Stück. 1896 erfolgte der Neudruck in zweitausend Auflagen.

Das Werk enthielt die Vorworte von 1872, 1883 und 1890, übersetzt von Filippo Turati, dem Chefredakteur von «Critica Sociale» (Sozialkritik) damals führende Zeitschrift des italienischen Sozialismus, und das Proemium Al lettore italiano (An den italienischen Leser), das dieser von Engels zu dem Zweck erhalten hatte, die neue Version von den Vorgängerversionen zu unterscheiden. Das italienische Vorwort war das letzte, das für das Manifest von einem seiner Autoren verfasst wurde.

In den folgenden Jahren wurden weitere zwei Ausgaben veröffentlicht, die, wenn auch ohne Angabe des Übersetzers, entschieden die Version Bettinis wiedergaben. Die erste, bei der das Vorwort und der dritte Abschnitt fehlten, wurde verfasst, um dem Manifest eine populäre und billige Ausgabe zu geben. Angeregt wurde diese von der Zeitschrift «Era Nuova» (Neue Epoche) anlässlich des 1. Mai 1897 und erschien daraufhin in Diano Marina (Ligurien) in achttausend Auflagen. Die zweite, ohne Vorwort, in Florenz beim Nerbini Verlag 1901.

V. DAS MANIFEST ZWISCHEN ENDE 19. JAHRHUNDERTS UND FASCHISMUS
In den Neunzigerjahren machte die Verbreitung der Schriften Marx’ und Engels’ große Fortschritte. Die Festigung der Verlagsstrukturen der damaligen «Sozialistischen Partei Italiens» (Partito Socialista Italiano), die Arbeit der zahlreichen Zeitungen und kleineren Verleger und die Mitarbeit Engels` bei der «Critica Sociale» (Sozialkritik), trugen allesamt zu einem besseren Bekanntheitsgrad der Marxschen Werke bei. Dies reichte allerdings nicht aus, um den Verfälschungsprozess, der die Popularisierung begleitete, aufzuhalten. Die Verknüpfung der Marxschen Konzepte mit verschiedensten anderen Theorien war ebenso das Werk jenes Phänomens, das man «Kathedersozialismus» nannte, wie das der Arbeiterbewegung, deren theoretische Beiträge, wenn auch sehr umfangreich gewordenen, sich immer noch durch eine geringe Kenntnis der Marxschen Werke auszeichneten.

Marx hatte inzwischen unbestrittene Berühmtheit erlangt, wurde aber immer noch als ein primus inter pares in der großen Zahl der Sozialisten betrachtet. Ausschlaggebend dafür waren auch die schlechten Ausleger seiner Lehre. Als Beispiel für alle, sei einer genannt, der als der „sozialistischste und marxistischste (…) aller italienischen Ökonomen“ galt. Ich beziehe mich dabei auf einen Namen, der Ihnen allen bekannt ist: Achille Loria, Verbesserer und Vervollständiger jenes Marx, den niemand ausreichend kannte, um zu sagen, was verbessert oder vervollständigt wurde. Da Sie alle seine Beschreibung von Engels im Vorwort zum Dritten Buch von Das Kapital kennen – „unbegrenzete Keckheit, gepaart mit aal glattem Durchschlüpfen durch unmögliche Situationen, heroische Verachtung gegen erhaltene Fußtritte, rasch zugreifende Aneignung fremder Leistungen“ –, werde ich mich, um die von Marx erlittene Verfälschung besser zu beschreiben, einer Anekdote bedienen, die 1896 von Benedetto Croce, lange bedeutendster italienischer Philosoph, erzählt wurde.

1867, in Neapel, bei der Gründung der ersten italienischen Abteilung der «Internationale», trat ein ausländisch anmutender Unbekannter „sehr groß und sehr blond ,mit verschwörerischem Gehaben und mysteriöser Sprache“ auf, um die Geburt des neuen Zirkels zu sanktionieren. Noch nach vielen Jahren war ein neapolitanischer Rechtsanwalt, der bei diesem Treffen dabei war, überzeugt, dass „dieser Große und Blonde Karl Marx war“ und es brauchte große Mühe, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Da in Italien viele Marxsche Konzepte vom „illustren Loria“ eingeführt worden waren, kann man daraus schließen, dass das, was anfänglich verbreitet wurde, ein entstellter Marx war, auch dieser „groß und blond!“

Dieser Zustand änderte sich nur dank des Werks von Labriola, der als erster in Italien das authentische Marxsche Denken einführte. Er interpretierte, aktualisierte oder vervollständigte Marx nicht durch andere Autoren, sondern enthüllte ihn zum ersten Mal. Dies geschah durch die Veröffentlichung von Saggi sulla concezione materialistica della storia (Essays über die materialistische Auffassung der Geschichte) durch Labriola zwischen 1895 und 1897. Das erste dieser Essays, In memoria del Manifesto dei comunisti (Zur Erinnerung an das Manifest der Kommunisten), war eine Studie über die Entstehung des Manifests, die nach der Zustimmung Engels`, die dieser kurz vor seinem Tod gab , dessen bedeutendste Erläuterung und offizielle Auslegung von «marxistischer» Seite wurde.

Vielen Beschränkungen der italienischen Realität konnte somit entgegengetreten werden. Nach Labriola, kann „eine Revolution nicht mit dem Aufstand unter der Führung Weniger vollzogen werden, sondern muss von den Proletariern selbst kommen“. „Der kritische Kommunismus – was für den neapolitanischen Philosophen die angebrachteste Bezeichnung für die Theorien von Marx und Engels war – fabriziert keine Revolutionen, er bereitet keine Insurrektion vor, er bewaffnet keine Revolten (…), er ist mit einem Worte kein Seminar, worin man den Generalstab der proletarischen Revolution schult; er ist einzig das Bewußtsein dieser Revolution“. Das Manifest ist also nicht „das Vademecum der proletarischen Revolution“ , sondern das Instrument, um die Naivität des Sozialismus zu entlarven, der sich „ohne Revolution, das heißt ohne gründliche Umwandlung in dem allgemeinen und elementaren Bau der Gesellschaft selbst“ , möglich glaubt.

Mit Labriola hatte die italienische Arbeiterbewegung endlich einen Theoretiker, der fähig war, gleichzeitig dem Sozialismus wissenschaftlichen Rang zu verleihen, die nationale Kultur zu durchdringen und zu stärken und sich mit den höchsten Ebenen der Philosophie und des europäischen «Marxismus» zu messen. Dennoch erwies sich die Schärfe seines «Marxismus», für die unmittelbaren politischen Umstände problematischen und gegen die theoretischen Kompromisse kritischen, als unzeitgemäß.

Zur Jahrhundertwende wehten dann, nach der Veröffentlichung von La filosofia di Marx (Die Marxsche Philosophie) von Giovanni Gentile (ein Buch dass später Lenin als „beachtenswert“ bezeichnete), der Werke von Croce, in denen der «Tod des Sozialismus» verkündet wurde und – auf militanter Seite – der Arbeiten von Francesco Saverio Merlino und Antonio Graziadei , auch in Italien die Winde der «Krise des Marxismus». In der Sozialistischen Partei Italiens gab es außerdem – im Gegensatz zu Deutschland – keinen orthodoxen «Marxismus» und tatsächlich wurde der Streit zwischen zwei «Revisionismen» ausgefochten, einem reformistischen und einem syndikalistisch-revolutionären.

Während dieser Zeit, zwischen 1899 und 1902, mehrten sich die Übersetzungen von Marx und Engels, die dem italienischen Leser einen Gutteil der damals verfügbaren Werke vermittelten. In diesem Zusammenhang, nämlich 1902, erschien im Anhang an die dritte Ausgabe von Labriolas Werk In memoria del Manifesto dei comunisti (Zum Gedenken an das Manifest der Kommunisten) eine neue Übersetzung des Manifests, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die letzte in Italien bleiben sollte. Diese Version, deren Urheberschaft von einigen Labriola und von anderen seiner Frau Rosalia Carolina De Sprenger zugesprochen wurde, enthielt einige Ungenauigkeiten und Auslassungen und wurde deshalb auch in wenigen Neuauflagen des Werks wieder aufgegriffen.

Die am häufigsten verwendete Übersetzung bis nach Ende des Zweiten Weltkriegs war also jene von Bettini, die wiederholt neu aufgelegt wurde. Auf eine erste 1910 folgten einige durch die Verlagsgesellschaft «Avanti», die zum Hauptpropagandaträger der Sozialistischen Partei wurde. Zwei davon wurden 1914 gedruckt, wobei die zweite auch Die Grundsätze des Kommunismus von Engels enthielt. Noch zwischen 1914 und 1916 (Neuauflage in den Jahren 1921-22) wurde die Version in den ersten Band der Auflage der Werke von Marx und Engels eingefügt, und – zum Beweis für die generelle Verwirrung, die sowohl in Italien als auch in Deutschland herrschte – mit denen von Lassalle zusammengestellt. Dann folgte eine im Jahr 1917, zwei 1918 mit im Anhang die 14 Punkte der Konferenz von Kienthal und das Manifest der Konferenz von Zimmerwald, daraufhin eine 1920 (mit zwei Neuauflagen 1922) in einer von Gustavo Sacerdote revidierten Übersetzung und schließlich eine 1925. Zu diesen «Avanti» (Vorwärts) Ausgaben kommen noch weitere sieben Neuauflagen zwischen 1920 und 1926 durch kleinere Verleger hinzu.

Während der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts wurde der «Marxismus» aus der täglichen politischen Praxis der Sozialistischen Partei verabschiedet. In einer berühmten Parlamentsdiskussion 1911 konnte der damalige Ministerpräsident Giovanni Giolitti behaupten: „die Sozialistische Partei hat ihr Programm sehr gemäßigt: Karl Marx wurde in den Dachboden geschickt“. Die Kommentare zu den Texten von Marx, die noch kurz zuvor den Büchermarkt überschwemmt hatten, kamen zum Stillstand. Sieht man von «Zurück zu Marx» aus den philosophischen Studien von Rodolfo Mondolfo und einigen anderen Ausnahmen ab, ereignete sich das gleiche auch in den Zehnerjahren. Was die Initiativen anderer Gesellschaftsbereiche und Institutionen betrifft, so hatte der Bürgerstand bereits vor langer Zeit die «Auflösung des Marxismus» gefeiert, während in der katholischen Kirche Vorurteile und Verurteilungen gegenüber den Analyseversuchen weit überwogen.

1922 brach die Barbarei des Faschismus herein. Ab 1923 wurden alle Exemplare des Manifests aus den öffentlichen Bibliotheken und Universitätsbibliotheken entfernt. 1924 wurden alle Publikationen von Marx und jene der Arbeiterbewegung verbrannt. Die faschistischen Gesetze von 1926 ordneten die Auflösung der Oppositionsparteien an und gaben damit den Ausschlag für den Beginn der tragischsten Periode der modernen italienischen Geschichte.

Abgesehen von einigen illegalen Maschinen geschriebenen oder vervielfältigten Ausgaben, erschienen die wenigen, in italienischer Sprache veröffentlichen Marxschen Schriften zwischen 1926 und 1943 im Ausland. (darunter zwei in Frankreich gedruckte Versionen des Manifests von 1931 und 1939 und eine neue, 1944 in Moskau veröffentlichte neue Übersetzung von Palmiro Togliatti). Die einzigen Ausnahmen in dieser Verschwörung des Schweigens bildeten drei verschiedene Ausgaben von Il Manifesto del partito comunista (Das Manifest der kommunistischen Partei). Zwei davon erschienen im Jahr 1934 «nur für Gelehrte» und mit der Auflage, vor Einsichtnahme eine Erlaubnis einzuholen. Die erste als Sammelband Politica ed economia (Politik und Wirtschaft), der neben den Texten von Marx auch jene von Labriola, Loria, Pareto, Weber und Rimmel enthielt; die Übersetzung war jene von Bettini, revidiert vom Herausgeber Robert Michels .

Die zweite in Florenz, in der Übersetzung Labriolas als ein weiterer Sammelband, Le carte dei diritti (Die Rechtssatzungen), erster Band der Reihe «Classici del liberalismo e del socialismo» (Klassiker des Liberalismus und des Sozialismus). Dann die letzte, 1938, diesmal herausgegeben von Croce, im Anhang an die Essays von Labriola mit dem Titel La concezione materialistica della storia (Das materialistiche Konzept der Geschichte) in eigener Übersetzung. Der Band umfasste auch ein Essay von Croce, das später berühmt wurde, mit dem mehr als deutlichen Titel: Come nacque e come morì il marxismo teorico in Italia (1895-1900) (Wie begann und endete der theoretische Marxismus in Italien. 1895-1900). Der idealistische Philosoph irrte jedoch. Der italienische Marxismus war nicht tot, er war nur eingesperrt in den Quaderni del carcere (Gefängnishefte) von Antonio Gramsci , die bald darauf ihre ganze theoretische und politische Bedeutung entfalten würden.

Mit der Befreiung vom Faschismus begann das Manifest wieder in verschiedenen Ausgaben zu erscheinen. Provinzverbände der «Kommunistischen Partei Italiens», Initiativen einzelnen kleiner Verlage im Süden Italiens, der bereits befreit war, verhalfen dem Werk von Marx und Engels zu neuer Jugend. Drei Ausgaben erschienen 1943 und acht 1944. Und so ging es auch in den folgenden Jahren weiter. Von den neun Ausgaben am Ende des Krieges, 1945, bis zum Exploit 1948 anlässlich des hundertsten Jahrestags.

VI. SCHLUSSWORT
Beim abschließenden Rückblick über die Geschichte der italienischen Ausgabe des Manifests der kommunistischen Partei tritt klar die enorme Verspätung hervor, mit der dieses veröffentlicht wurde. Im Gegensatz zu Japan, wo, wie Sie wissen, das Manifest das erste Werk Marx` und Engels` war, das übersetzt wurde, erschien dieses in Italien erst nach anderen Werken. Auch sein politischer Einfluss war bescheiden und es hatte nie direkte Einwirkungen auf das Hauptdokument der Arbeiterbewegung gegeben. Umso weniger war es für die politische Bewusstseinsbildung der sozialistischen Parteiführer entscheidend. Allerdings war es für die Gelehrten (wie im Fall Labriola) von großer Bedeutung und über seine Ausgaben entfaltete es eine immer wichtigere Rolle bei den Militanten bis es schließlich zur bevorzugten theoretischen Referenzquelle wurde.

In den einhundertsechzig Jahren nach seiner ersten Veröffentlichung, während denen es von einer Unzahl von Exegeten, Gegnern und Anhängern von Marx geprüft wurde, hat das Manifest die unterschiedlichsten Zeiten durchlaufen und wurde auf die verschiedensten Weisen ausgelegt. Es war Meilenstein des «wissenschaftlichen Sozialismus» oder Plagiat des Manifeste de la démocratie (Manifest der Demokratie) von Victor Considerant; Zündstoff, der den Klassenhass in der Welt entflammte und schürte oder Symbol der Befreiung für die internationale Arbeiterbewegung; Klassiker der Vergangenheit oder vorwegnehmendes Werk der heutigen Welt der «kapitalistischen Globalisierung». Zu welcher Auffassung man auch immer neigt, eine Tatsache bleibt doch bestehen: ganz wenige andere Werke in der Geschichte können sich einer ähnlichen Lebendigkeit und Verbreitung rühmen. Auch heute wird das Manifest immer noch gedruckt und macht weiterhin von sich reden, in Lateinamerika, wie in China; in den USA, wie in Italien und ganz Europa.

Wenn die fortwährende Jugendlichkeit eines Werks in seiner Fähigkeit liegt, gekonnt zu altern und dabei immer neue Gedanken anzuregen, dann können wir zweifelsfrei behaupten, dass das Manifest diese Tugend besitzt.

References
1. Vgl. Gian Mario Bravo, Marx e il marxismo nella prima sinistra italiana, in Marcello Musto (Hrsg.), Sulle tracce di un fantasma. L’opera di Karl Marx tra filologia e filosofia, Manifestolibri, Roma 2006 (2005), S. 97.
2. Jacques Derrida, Marx’ Gespenster, Fischer Verlag, Frankfurt/Main 1995, S. 22.
3. Vgl. John Cassidy, The return of Karl Marx, in „The New Yorker“, October 20/27 1997, S. 248-259.
4. Vgl. „Le Nouvel Observateur“, Octobre/Novembre 2003.
5. Vgl. „Der Spiegel“, 22/08/2005.
6. Vgl. insbesondere Eric Hobsbawm, „Introduction“ zu Karl Marx-Friedrich Engels, The communist Manifesto, Verso, London 1998.
7. Für ein vollständiges Verzeichnis der von 1848 bis 1926 in italienischer Sprache veröffentlichten Schriften von Marx und Engels siehe: Emilio Gianni, Diffusione, popolarizzazione e volgarizzazione del marxismo in Italia, Pantarei, Milano 2004. Für eine historiographische Rekonstruktion der ersten Verbreitung der Werke Marx’ in Italien wird auf die Abhandlungssammlung von Gian Mario Bravo, Marx ed Engels in Italia, Editori Riuniti, Roma 1992 verwiesen. In deutscher Sprache siehe: Gerhard Kuck (Hrsg.), Karl Marx, Friedrich Engels und Italien: Teil I, Herausgabe und Verbreitung der Werke von Karl Marx und Friedrich Engels in Italien, und Teil II, Die Entwicklung des Marxismus in Italien: Wege, Verbreitung, Besonderheiten. Der erste der zwei Bände beinhaltet eine vollständige «Auswahlbibliographie zur italienischen Marx/Engels-Forschung», von den Siebzigerjahren des 19. Jh. bis 1943, S. 131–148.
8. Siehe: Giuseppe Del Bo (Hrsg.), La corrispondenza di Marx e Engels con italiani (1848-1895), Feltrinelli, Milano 1964, S. IX–XXI.
9. Carlo Marx capo supremo dell’Internazionale, in «Il proletario Italiano», Torino, 27-VII-1871.
10. Siehe: Roberto Michels, Storia del marxismo in Italia, Luigi Mongini Editore, Roma 1909, S. 15, der hervorhebt, wie „anfangs der Politiker Marx die Italiener allmählich dazu brachte, sich auch mit dem Wissenschaftler Marx zu beschäftigen”.
11. Carlo Marx capo supremo dell’Internazionale, (Anm. 9).
12. Siehe: Renato Zangheri, Storia del socialismo italiano, Band I, Einaudi, Torino 1993, S. 338.
13. Im Zusammenhang zu diesem Beispiel wird auf das Handbuch von Oddino Morgari, L’arte della propaganda socialista, Libr. Editr. Luigi Contigli, Firenze 1908 (2. Ausg.), S. 15 verwiesen. Es schlug den Propagandisten der Partei folgendes Lernverfahren vor: zunächst jede Zusammenfassung Darwins und Spencers zu lesen, die dem Studierenden eine allgemeine Richtung der modernen Lehre vorgibt; danach Marx zur Vervollständigung der „großartigen Triade“, der würdig das „Evangelium der zeitgenössischen Sozialisten“ einschließt.
Siehe dazu: Michels, Storia del marxismo in Italia, (Anm. 4), S. 102.
14. Ebenda, S. 101.
15. Siehe die weit verbreitete Schrift von Enrico Ferri, Socialismo e scienza positiva. Darwin, Spencer, Marx, Casa Editrice Italiana, Roma 1894. In seinem Vorwort bestätigt der italienische Autor: „Ich will beweisen, dass der Marxistische Sozialismus (…) nichts anderes ist, als die praktische und fruchtbare Vervollständigung der modernen wissenschaftlichen Revolution, im sozialen Leben, (…) bestimmt und geregelt von den Werken Charles Darwins und Herbert Spencers“.
16. Siehe: Gnocchi Viani, Il socialismo moderno, Casa di pubblicità Luigi Pugni, Milano 1886. Siehe dazu die Kritik an Gnocchi Viani von Roberto Michels, Storia critica del movimento socialista italiano. Dagli inizi fino al 1911, Società An. Editrice “La voce”, Firenze 1926, S. 136.
17. Siehe  beispielsweise den Brief der «Demokratischen Vereinigung von Macerata» an Marx vom 22-XII-1871. Diese Organisation schlug Marx als „Ehrentriumvir zusammen mit den Bürgern Giuseppe Garibaldi und Giuseppe Mazzini“ vor, in Del Bo (Hrsg.), (Anm. 2), S. 166. Im Wiedergeben der Nachricht an Wilhelm Liebknecht, am 2-I-1872, schrieb Engels: “eine Gesellschaft in Macerata in der Romagnahat zu ihren 3 Ehrenpräsidenten ernannt: Garibaldi, Marx und Mazzini. Diese Konfusion repräsentiert Dir genau den Zustand der öffentlichen Meinung unter den italienischen Arbeitern. Es fehlt nur noch Bakunin, um die Sache komplett zu machen”, MEW 33, Dietz Verlag, Berlin 1966, S. 368.
18. Siehe: Michels, Storia del marxismo in Italia, (Anm. 4), S. 101, der  bestätigt, dass “in den Augen vieler Schäffle der echteste aller Marxisten war”.
19. Siehe: Paolo Favilli, Storia del marxismo italiano. Dalle origini alla grande guerra, FrancoAngeli, Milano 2000 (1996), S. 50. zu den Kongressen der  italienischen «Internazionale» siehe: Gastone Manacorda, Il movimento operaio italiano attraverso i suoi congressi, Editori Riuniti, Roma 1992 (1963), im Besonderen S. 51–95.
20. Siehe: Favilli, (Anm. 13), S. 45.
21. Ebenda, S. 42.
22. Ebenda, S. 59–61.
23. Siehe: Tullio Martello an Karl Marx, 5-I-1883, in Corrispondenze con italiani, (Anm. 2), S. 294.
24. Siehe: Filippo Turati an Friedrich Engels, 1-VI-1893, (Ebenda), S. 479–480.
25. Siehe: Gian Mario Bravo, Marx e il marxismo nella prima sinistra italiana, in Marcello Musto (Hrgb.), Sulle tracce di un fantasma. L’opera di Karl Marx tra filologia e filosofia, Manifestolibri, Roma 2006 (2005), S. 101.
26. Siehe: Michels, Storia critica del movimento socialista italiano. Dagli inizi fino al 1911, (Anm. 9), S. 135, der bestätigt, dass in Italien der Marxismus nicht aus „einer genauen Kenntnis der wissenschaftlichen Werke des Meisters fast aller seiner Anhänger hervorging, sondern aus Verbindungen, die einfach so mit etwas von ihm politisch Geschriebenen hergestellt wurden und mit einigen (nicht seiner) Wirtschaftszusammenfassungen, und oft, was noch schlimmer war, durch seine Nachahmer der deutschen Sozialdemokratie“.
27. Siehe: Antonio Labriola, Über den historischen Materialismus, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1974, der bestätigte dass “viele von denen, die sich in Italien dem Sozialismus verschreiben, und zwar nicht einfach als Agitatoren, Redner und Parteikandidaten, spüren die Unmöglichkeit, aus ihm eine wissenschaftliche Überzeugung zu gewinnen, ohne ihm auf irgendwelchen Wegen mit der übrigen genetischen Auffassung von den Dingen, die mehr oder weniger hinter allen anderei Wissenschaften steht, in Verbindung zu bringen. Daher die Manie so vieler, in den Sozialismus die ganze übrige Wissenschaft, in der sie mehr oder weniger Bescheid wissen, hineinzustopfen. Daher die vielen Ungereimtheiten und Torheiten, die im Grunde ja durchaus verständlich sind”.
28. Siehe: Bravo, Marx e il marxismo nella prima sinistra italiana, (Anm. 19), S. 103.
29. Siehe: Michels, Storia del marxismo in Italia, (Anm. 4), S. 99.
30. Siehe: Benedetto Croce, Storia d’Italia dal 1871 al 1915, Laterza, Bari 1967, S. 146 und 148.
31. Friedrich Engels – Karl Marx, Manifest der kommunistische Partei, MEW 4, S. 461.
32. Siehe: Friedrich Engels an Karl Marx, 25-IV-1848, MEGA² III/2, S. 153.
33. Siehe: Karl Marx, Herr Vogt, MEGA² I/18, S. 107.
34. Zur Bibliographie und Geschichte der Ausgaben des Manifests der Kommunistischen Partei siehe: Bert Andréas, Le Manifeste Communiste de Marx et Engels, Feltrinelli, Milano 1963.
35. Vito Cusumano, Le scuole economiche della Germania in rapporto alla questione sociale, Giuseppe Marghieri Editore, Prato 1875, S. 278.
36. In «La Plebe», Milano, April 1883, Nr. 4.
37. Dall’Enza: Carlo Marx e il socialismo scientifico e razionale, in «Gazzetta Piemontese», Torino, 22-III-1883.
38. Siehe: Bert Andréas, (Anm. 28), S. 145.
39. Friedrich Engels an Pasquale Martignetti, 2 April 1891, in MEW 38, Dietz Verlag, Berlin 1964, p. 72.
40. In «Lotta di classe», Milano, Jahrgang I, Nr. 8, 17/18-IX-1892.
41. Siehe: Michele A. Cortellazzo, La diffusione del Manifesto in Italia alla fine dell’Ottocento e la traduzione di Labriola, in «Cultura Neolatina», 1981, Nr. 1-2, S. 98, der bestätigt: „1892 ist der Scheidepunkt, der die Übersetzungen des 19. Jh. in zwei sehr unterschiedliche Lager teilt: jenseits des Jahres gibt es ungenaue, lückenhafte und stark an ausländische Versionen angelehnte Übersetzungen, die eher wegen ihres Wertes als erste in Italien verbreitete Dokumente des Textes bedeutend sind, als für ihre Übersetzungen; diesseits von 1892 sind die Übersetzungen vollständig und genau und nahmen auch wegen ihrer Auflage unzweifelhaft auf die Verbreitung des Marxismus’ in Italien Einfluss“.
42. Carlo Marx – Friedrich Engels, Il Manifesto del Partito Comunista, Uffici della Critica Sociale, Milano 1893, S. 2.
43. Siehe: Gaetano Arfé, Storia del socialismo italiano (1892-1926), Mondadori, Milano 1977, S.70.
44. Filippo Turati an Achille Loria, 26-XII-1890, in «Appendice» an Paolo Favilli, Il socialismo italiano e la teoria economica di Marx (1892-1902), Bibliopolis, Napoli 1980, S. 181–182.
45. Friedrich Engels, Vorwort an Karl Marx, Das Kapital. Dritter Band, MEGA II/15, S. 21.
46. Benedetto Croce, Materialismo storico ed economia marxistica, Bibliopolis, Napoli 2001, S. 65.
47. Engels, (Anm. 39), S. 21.
48. Croce, (Anm. 40), S. 65.
49. Siehe: Antonio Labriola an Benedetto Croce, 25-V-1895, in Croce, (Anm. 40), S. 269. Siehe dazu auch Mario Tronti, Tra materialismo dialettico e filosofia della prassi – Gramsci e Labriola, in Alberto Caracciolo – Gianni Scalia (Hrsg.), La città futura. Saggi sulla figura e il pensiero di Antonio Gramsci, Feltrinelli, Milano 1959, S. 148.
50. “Alles sehr gut, nur einige kleine tatsächliche Mißverständnisse und anfangs eine etwas zu gelehrte Schreibweise. Ich bin sehr begierig auf den Rest”, in Friedrich Engels an Antonio Labriola, 8-VII-1895, MEW 39, Dietz Verlag, Berlin 1968, S. 498.
51. Siehe: Labriola, Über den historischen Materialismus, (Anm. 21), S. 113 (geänderte Übers.).
52. Ebenda, S. 109.
53. Ebenda, S. 99.
54. Ebenda, S. 132.
55. Siehe: Eugenio Garin, Antonio Labriola e i saggi sul materialismo storico, in Antonio Labriola, La concezione materialistica della storia, Laterza, Bari 1965, S. XLVI.
56. Vladimir Illich Lenin, Karl Marx, in Opere, Band XXI, p. 76.
57. Siehe dazu die Abhandlung von Benedetto Croce, Come nacque e come morì il marxismo teorico in Italia (1895-1900), in Croce, (Anm. 40), S. 265–305.
58. Siehe: Francesco Saverio Merlino, L’utopia collettivista e la crisi del socialismo scientifico, Treves, Milano 1897; Francesco Saverio Merlino, Pro e contro il socialismo. Esposizione critica dei principi e dei sistemi socialisti, Treves, Milano 1897.
59. Siehe: Antonio Graziadei, La produzione capitalistica, Bocca, Torino 1899.
60. Siehe, Michels, Storia del marxismo in Italia, (Anm. 4), S. 120.
61. Der Satz wurde von Giolitti am 8. April 1911 im Parlament verkündet. Siehe die Atti parlamentari, Camera dei Deputati, Sessione 1909-1913, Vol. XI, p. 13717. Siehe dazu Enzo Santarelli, La revisione del marxismo in Italia. Studi di critica storica, Feltrinelli, Milano 1964, S. 131–132.
62. Zu den wichtigsten Schriften dieses Autors wird verwiesen auf Rodolfo Mondolfo, Umanismo di Marx. Studi filosofici 1908-1966, Einaudi, Torino 1968.
63. Siehe: Antonio Gramsci, La costruzione del partito comunista (1923-1926), Einaudi, Torino, 1978, pp. 475–476.
64. Die Änderungen an der Version Bettinis, die in dieser neuen Ausgabe enthalten sind, waren ein regelrechter Versuch der Deformation und des Auslassens einiger Abschnitte des Textes, damit dieser weniger gefährlich und der faschistischen Ideologie angepasster war. Siehe dazu: Franco Cagnetta, Le traduzioni italiane del «Manifesto del partito comunista», in «Quaderni di Rinascita», N. 1, Il 1848, Rinascita, Roma 1949, S. 28–29.
65. Siehe: Santarelli, La revisione del marxismo in Italia, (Anm. 55), S. 23.
66. Die chronologische Aufstellung der Ausgaben der wichtigsten Schriften von Marx und Engels bis zur Veröffentlichung des Manifestes der kommunistischen Partei ist folgende: 1871. Karl Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich; 1873. Friedrich Engels, Von der Autorität; 1873. Karl Marx, Der politische Indifferentismus; 1879. Carlo Cafiero, Das Kapital von Karl Marx, kurz zusammengefasst von Carlo Cafiero; 1882-84. Karl Marx, Das Kapital; 1883. Friedrich Engels, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft; 1885. Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates; 1889. Karl Marx-Friedrich Engels, Manifest der kommunistischen Partei (Übersetzung Bissolati); 1891. Karl Marx-Friedrich Engels, Manifest der Kommunistischen Partei (Übersetzung Gori); 1892. Karl Marx-Friedrich Engels, Manifest der kommunistischen Partei (Übersetzung Bettini).

Journal:

Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge

Pub Info:

Vol. 2009, 139-153

Reference:

ISBN: 978-3-88619-669-2

Available in: